Triviale, Hirntote und eine Herzkönigin


Nun ist sie tot und begraben. Und makellos. Seit vorigem Sonntag sehen wir alles in einem anderen, heiligrosa Licht. „Sie hat mit ihren Söhnen während deren Kindheit pausenlos liebevoll geschmust“, schrieb Linda Lee-Potter in der Daily Mail vor einer Woche. Noch fünf Tage zuvor hat Frau Lee-Potter in derselben Zeitung geschrieben: „Der Anblick eines windigen Playboys, der eine spärlich bekleidete Diana angrapscht, muss für Prinz William abstoßend und erniedrigend sein. Seit Jahren hat sie Prinz Charles kritisiert, weil er als Vater distanziert und abweisend war. Langfristig war er aber der verantwortungsbewusstere Elternteil und hat mit Sicherheit weniger Schaden, Schmerz und Beklommenheit verursacht.“


Nicht mal beim Sterben kooperierte Diana mit den Zeitungen. Als sie vor acht Tagen um 4 Uhr früh für tot erklärt wurde, waren die Sonntagsblätter bereits ausgeliefert – und enthielten eine ganze Reihe Artikel, deren Autoren sich im nachhinein die Haare gerauft haben. „Sie gefällt sich wohl in ihrer Rolle als Märtyrerin“, schrieb Petronella Wyatt mit erhobenem Finger im Express On Sunday. „Gott stehe ihr bei, falls sie jemals ihr Glück findet – sie würde sich elend fühlen.“ In derselben Ausgabe rächte sich Thatchers früherer Pressesprecher Bernard Ingham für Dianas Tory-Kritik. „Diana und Dodi sind füreinander geschaffen“, sagte er. „Beide haben mehr Heu als Hirn.“


Schlechtes Timing, Bernard. Tote erklärt man posthum nämlich meist für klug und weise, selbst wenn sie zu Lebzeiten Riesentrottel waren. Schließlich können sie nun ja keinen Unfug mehr erzählen. Ingham war aber nicht der einzige, der vorigen Sonntag wohl am liebsten seine Schreibmaschine im Garten vergraben hätte. „Schade, dass Gucci keine Designer-Gesichtsreißverschlüsse herstellt“, bedauerte Carole Malone im Sunday Mirror. „Prinzessin Diana könnte dann jedes Mal, wenn sie ihren Mund aufmachen will, ihn mit dem Reißverschluss gleich wieder zumachen. Ich fürchte, die Prinzessin leidet unter dem Maul-öffnen- bevor-Hirn-eingeschaltet-Syndrom – eine Krankheit, die vor allem die Trivialen und die Hirntoten befällt.“ Und der Observer wunderte sich, dass die Presse Dianas Äußerungen stets als vor aristotelischem Genius triefende behandle, statt sie „als Geplapper einer Frau zu erkennen, die man – wäre ihr Intelligenzquotient fünf Punkte niedriger – täglich gießen müsste“.


Vorigen Montag waren die hässlichen Worte vergessen. Plötzlich waren alle Journalisten eigentlich und irgendwie schon immer Freunde von Diana gewesen. Ganz nebenbei ließ man in die Nachrufe einfließen, dass man auch mal zum Lunch bei Di im Kensington-Palast gewesen sei. James Whitaker vom Mirror setzte noch einen drauf: „Unsere Beziehung war rein beruflich“, versicherte er, „aber sie ging doch viel tiefer. Unsere Leben waren unauflöslich miteinander verwoben.“ Dann nichts wie ab in den Tunnel nach Paris, James.


Nur Tony Blair machte alles richtig. Der Premierminister litt vor 1.000 Kameras, fand die richtigen Worte und wurde als „Vater der Nation“ augenblicklich, aber wohl bloß vorübergehend, zum beliebtesten Politiker aller Zeiten. Er wertete Dianas Tod als „Ereignis, das die Nation vereinigt“ habe. Und die Heuchler.

 

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